Ich glaube, mein Leben ist wie eine Hosentasche voller Kiesel. Manche glatt, manche scharf, manche so klein, dass ich sie zwischen den Fingern verliere – andere so schwer, dass ich sie nie loswerde.
Einer dieser Steine trägt einen Namen: Stefan Metzler.
Ende der 70er-Jahre. Ich war im Internat, einem Jugenddorf in Baden-Württemberg. Ein Ort zwischen Erziehung, Verwahrung und Hoffnung.
Stefan war einer von uns. Und irgendwann war er weg.
Nicht einfach verschwunden. Sondern gegangen. Erhängt. Im Wald.
Wir haben ihn gesucht. Schüler, Erzieher, Lehrer.
Wir haben ihn gefunden.
Und ich, weil ich damals schon Sanitäter war, habe den Rettungswagen durch den Wald gelotst. Dorthin, wo das Leben aufgehört hatte.
Ich erinnere mich an einen Lehrer, der sagte:
„Holt den da endlich runter.“
Ein Satz wie ein Vorschlaghammer.
Nicht aus Grausamkeit gesagt, sondern aus Hilflosigkeit.
Aber trotzdem: Er traf mich wie eine Kältewelle, die seitdem nie ganz verschwunden ist.
Ich habe viele Dinge erlebt, gesehen, verdrängt.
Ich war in Tankstellen eingebrochen, ohne zu stehlen. Ich habe Demos mit Zehntausenden organisiert. Ich habe mit Politikern gesprochen, die im Sterben lagen.
Aber dieser Moment – im Wald, mit Stefan, mit dem Lehrer, mit dem Wagen –
der ist nicht vergessen.
Der Stein bleibt in der Tasche.
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