Es war Anfang der 90er, eine CEBIT-Reise. Hannover, eine dieser Messen, bei denen sich Zukunft und Gegenwart in Kabeln verheddern. Wir saßen im Zug, meine Frau und ich, München – Hannover, das ist Strecke, genug Zeit für Gespräche. Im Abteil ein Herr, höflich, interessiert. Politik kam auf, wie so oft, dies und das, Deutschland, die Welt. Irgendwann, nach einer Weile, sah er mich an und sagte: „Sie sind etwas ganz Besonderes.“
Ich war irritiert. „Wieso das denn?“
Er lächelte. Ja, als Sekretär ehemaliger Bundespräsidenten könne er das beurteilen, das sei kein Dahergesagtes. Nein, nicht von Walter Scheel direkt, aber eben einer von denen, die diesen eigenartigen Job tun – das Leben nach dem Schloss Bellevue begleiten. Die Briefe beantworten, Termine sortieren, alles, was übrig bleibt, wenn die Scheinwerfer ausgehen, aber die Verantwortung bleibt. Und er bekomme viel mit. Und meine Art, mein Denken – das sei ihm aufgefallen.
Ich vergaß fast, ihn zu fragen, welcher Präsident es gewesen war. Ist mir entglitten. Vielleicht wollte ich es auch gar nicht wissen. Es war einer dieser Sätze, die einfach stehen dürfen.
Vielleicht auf der Rückfahrt – oder war’s doch schon auf der Hinfahrt? – saß eine ältere Dame im Abteil, ganz leise, unauffällig. Aber ihre Augen klebten förmlich an den Fingern meiner Frau, die strickte. So ein konzentrierter Blick, halb Neugier, halb Ehrfurcht. Ich beobachtete das eine Weile und sprach sie dann an. „Möchten Sie nicht fragen?“ Meine Frau hatte nichts bemerkt, war ganz bei der Wolle. Dann kamen sie ins Gespräch. Zwei Generationen, zwei Stricknadeln, und plötzlich war meine Frau die Lehrmeisterin.
In Hannover bei unserer Gastgeberin, einer über neunzigjährigen Dame, brachte meine Frau auch ihr noch etwas bei. Etwas mit Händen, mit Gefühl, mit Tradition. Ich verstand von der Technik wenig, aber ich begriff: Auch meine Frau war etwas Besonderes.
Da waren wir, Anfang unserer Ehe, zwei junge Menschen, die durch Zufall und Zugabteilgespräche langsam begreifen, dass sie vielleicht nicht ganz gewöhnlich sind. Nicht laut, nicht berühmt, aber anders. Besonders. Still besonders.
Zug nach Hannover
Wir fuhren zur CEBIT.
Hannover. Anfang der Neunziger.
Ich und meine Frau –
im Abteil ein Fremder,
der bald keiner mehr war.
Wir redeten.
Politik. Gesellschaft.
Dies und das.
Nach einer Weile sagte er:
„Sie sind etwas ganz Besonderes.“
Ich fragte: „Wieso das denn?“
Er war Sekretär eines ehemaligen Bundespräsidenten.
Nein, nicht von Walter Scheel,
aber eben: einer von denen,
die noch lange nach Bellevue
Briefe schreiben und Termine verwalten.
Der Nachglanz der Macht.
Er bekomme viel mit,
sagte er.
Und meine Art –
die sei ihm aufgefallen.
Vielleicht war’s die Hinfahrt.
Vielleicht die Rückfahrt.
Jedenfalls war da auch diese ältere Dame.
Sie starrte auf die Hände meiner Frau,
wie sie strickte.
Ein Blick –
halb Neugier,
halb Ehrfurcht.
Ich sprach sie an.
Sie kamen ins Gespräch.
Und die Jüngere brachte der Älteren noch etwas bei.
So einfach war das.
So still besonders.
Schreibe einen Kommentar