Die Küche war immer ein Ort für Gespräche.
Damals, im Sechspersonenhaushalt – eigentlich sieben, mit Kindermädchen.
Und jetzt, gerade eben, mit meiner Frau.
Es war in der Küche, als meiner Mutter die Hand ausrutschte.
Ich war siebzehn oder achtzehn.
Ich sah die Hand kommen, versteifte den Hals.
Sie schlug – aber traf Beton.
Meine Wange brannte, sicher,
aber mehr noch ihre Hand.
Wie sie sie hielt danach, der Schmerz.
Ich hab’s gesehen. Es tat ihr weh.
Mir weniger.
Nicht weil ich stark war –
sondern weil ich abgestumpft war.
Weil ich wusste: Das ist nur die Oberfläche.
Meine Mutter sagte mal:
„Entweder wir werden mal beste Freunde – oder ewige Feinde.“
Es wurde Feindschaft.
Nicht aus einem Streit heraus.
Sondern weil sie stark war. Dominant.
Und ich stur.
Stur mit meiner eigenen Sicht auf die Welt.
Meine Schwester sagte, ich sei dumm.
Ich könnte es doch gut haben.
Aber ich verkaufe mich nicht.
Ich ordne mich nicht unter.
Ich bin enterbt.
Die Schenkungen sind durch.
Das Elternhaus ging an meine kleine Schwester.
Der kleine Bruder: ausgezahlt.
Ich: nichts.
Dafür mich selbst behalten.
Und ja –
der Schaden, den eine Mutter anrichten kann,
ist quasi grundgesetzlich geschützt.
Mütterlichkeit als Heiligtum.
Auch wenn sie Gift sein kann.
Meine Frau –
hat ihren Doktor in Slawistik gemacht,
später auf Kinderpflegerin umgeschult.
Und heute sprachen wir darüber.
Über den Schaden,
den eine Mutter anrichten kann.
Sie sagte:
„Auch wenn man’s als Erzieherin sieht –
nicht immer kann man eingreifen.“
Weil: Datenschutz.
Weil: Elternrecht.
Weil: Privatheit.
Ich:
„Aber das ist doch eine Rechtsgüterabwägung!
Schaden darf nicht grenzenlos sein!“
Sie:
„In der Praxis zählt was anderes.“
Und sie weiß das.
Sie ist auch elterngeschädigt.
Sie hat ein feines Gespür,
wenn Mütter mehr reißen als halten.
Meine Mutter hat mich nie – bis auf das eine Mal – geschlagen.
Im Gegensatz zu meinem Vater.
Der trat mich einmal im ersten Lebensjahr,
später noch einmal, mit sechs.
Danach nie wieder.
Aber:
Schläge sind nicht das Schlimmste.
Nicht umarmt zu werden – das ist schlimmer.
Nicht gesehen zu werden.
Nicht gemeint zu sein.
Meine Frau fragte:
„Darf ich das zu einem Kieselstein machen?“
Ich lachte.
„Klar doch.
Wenn wir über intrinsisch und immanent in der S-Bahn diskutieren –
dann darfst du auch das.
Kieselsteinchen entstehen überall.“
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