Kapitel 9: Ich wurde mein Leben lang verarscht

Die Wahrheit kam in Form eines Intelligenztests meines Sohnes.
145.
Hochbegabt.
Zwei Werte: 142 und 145.
Ich fragte die Schulpsychologin, warum.
Sie zeigte mir den Test.
Ich fand ihn lächerlich einfach
und in mir klickte etwas.
Das kenne ich.
Sowas Ähnliches hatte ich bei der Bundeswehr gemacht – und damals schon „auffällig“ abgeschlossen.

Und plötzlich stellte ich die Frage,
die mein ganzes Leben neu ordnen sollte:

„Woher hat er das?“

Ich schrieb meiner Mutter.
Ich dachte:
Vielleicht hat sie das Gen,
vielleicht kommt es von ihr.

Und dann antwortete sie lapidar:
„Dein Vater hatte auch über 130. Er war nicht so dumm, wie du immer dachtest.“

Mein Vater war da schon tot.
Die Vergangenheit abgeschlossen.
Die Narrative zementiert.

Und in diesem Moment
wurde aus einem Satz ein Schrei:

„ICH WURDE MEIN LEBEN LANG VERARSCHT.“

Ich habe Jahrzehnte meines Lebens damit verbracht,
mich für dümmer, weniger fähig, weniger wert zu halten.
Ich war immer der ohne Abschluss
der, der „aus der Reihe tanzt“,
der, der „nichts durchzieht“,
der „gescheiterte Hochintelligente“,
nur dass mir niemand je gesagt hat, dass ich überhaupt hochintelligent bin.

Vielleicht war’s bequem so.
Vielleicht war es für die Familie einfacher,
wenn ich der Schwache war.

Aber ab dem Moment mit dem Test meines Sohnes wusste ich:

Ich war nie der Schwache.
Ich war der, der zu viel sah – und dem niemand helfen konnte, damit klarzukommen.

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