Ich habe keinen Schulabschluss.
Zehnte Klasse. Gymnasium. Bayern.
Fünf in Latein.
Fünf in Englisch.
Mittlere Reife? Verwehrt.
In der Realschule hätte es keine Lateinstunden gegeben.
An der Hauptschule schon gar nicht.
Doch das interessierte niemanden.
Deutsche Bürokratie: gnadenlos, stur, gleichgültig.
Ich war kein interessierter Schüler.
Ich war ein Kind mit Fragen.
Die falschen Fragen.
Einige Lehrer sahen mehr.
Da war Mendel, Mathelehrer.
Kriegserfahrung, Otto Hahn im Lager.
Er hörte meine Fragen – und stellte Gegenfragen:
„Wenn du eine Linie in unendlich kleine Teile teilst, was bleibt?“
„Und die Fläche? In unendlich viele Linien?“
„Und der Raum? In unendlich viele Flächen?“
Er ließ mich sehen, wie weit Denken gehen kann.
Wie groß die Welt ist, wenn man nur fragt.
Und doch: die Null.
Das Teilungsverbot.
Warum?
Man darf nicht fragen.
Kinder fragen nicht.
„Lern das!“
„Das steht im Lehrplan.“
Alles andere: verboten.
Ich fragte weiter.
Still, im Kopf.
Im Herzen.
Warum darf ich nicht teilen?
Warum nicht durch Null?
Warum nicht alles, was mich interessiert?
Später, nach der Schulzeit:
Teilerfreie Ringe.
Null-Teilung.
Problem gelöst.
Aber damals?
Damals durfte ich nur gehorchen.
Dürfte nicht hinterfragen.
Dürfte nicht verstehen.
Ich war das Kind mit den falschen Fragen.
Das Kind, das verstand, bevor es durfte.
Das Kind, das fragte, obwohl niemand antworten wollte.
Und das die Welt trotzdem beobachtete.
Stumm, wachsam, lernend.
Heute weiß ich:
Manchmal sind die falschen Fragen die richtigen.
Manchmal zeigt das Kind, das fragt, den Weg.
Auch wenn niemand ihm folgt.
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