Ich hatte ein Buch.
Es war das meiner Mutter,
ein Buch über Handlesen.
So begann es.
Ich arbeitete bei einer großen Teppichkette,
frühe 80er,
Teppichverkäufer.
Und in den Pausen bot ich Handlesen an.
Halb Witz, halb Magie.
Ein Spiel.
Ein Bluff.
Ich verarschte sie.
Aber nicht im böswilligen Sinn.
Es war eher so eine Art Kinderspiel,
eine Mischung aus Langeweile, Beobachtungsgabe und dem Wissen,
dass man mit ein paar rhetorischen Tricks und Allgemeinplätzen
Menschen zum Staunen bringen kann.
Wie Astrologie.
Wie Erich von Däniken.
Wie „Das Philadelphia-Experiment“,
von dem Moritz und ich in der Schulzeit glaubten,
wir könnten vielleicht auch irgendwas verschwinden lassen.
Bullshit.
Aber faszinierender Bullshit.
Das Problem ist nur:
Je intelligenter du bist,
desto besser kannst du diesen Bullshit konstruieren.
Und je unsicherer die anderen sind,
desto eher glauben sie dir.
Und dann wird’s gefährlich.
Denn du merkst:
Du kannst spielen. Mit Menschen.
Nicht aus Böswilligkeit,
sondern aus Neugier.
Aus dem Wunsch heraus, zu verstehen, wie weit du gehen kannst.
Und manchmal geht es zu weit.
Ich sage es so, wie ich es heute sehe:
Die Welt verwechselt Intelligenz mit Wahrheit.
Und Hochintelligente verwechseln ihr Talent mit Bedeutung.
Ich habe mit Menschen gespielt.
Ich habe mir nichts dabei gedacht.
Ich war ein Kind mit einem Werkzeugkasten, den ich nicht verstanden habe.
Heute weiß ich:
Ockhams Razor – das einfachste Erklärungsmodell –
gilt auch für mich.
Gilt auch für meine Einfälle.
Gilt gegen Magie, gegen Handlesen, gegen selbstgemachte Propheten.
Aber damals?
Damals war’s ein Zauber, den ich beherrschte,
weil ich es konnte.
Und niemand sagte mir,
dass das vielleicht mehr über die Welt aussagt
als über mich.
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