Ich war zurück in München.
Nicht zu Hause –
aber zurück in der Stadt, in der ich geboren wurde.
Ich war zwischen Frankreich und Freising gestrandet,
hatte die Sahara nicht erreicht
und das Leben hatte mich auf Umwegen wieder
an den Anfang geworfen.
Obdachlos. Stolz. Zerrissen.
Ich hatte keine Adresse,
keinen Plan,
aber einen Vater –
und eine Wut.
Vielleicht war es keine Wut.
Vielleicht war es Verzweiflung,
vermischt mit Hoffnung,
die so tief im Stolz vergraben war,
dass sie sich nicht als Bitte äußern konnte.
Also brach ich in sein Büro ein.
Das ist keine Metapher.
Ich stieg tatsächlich ein.
In das Büro meines eigenen Vaters.
Ich setzte mich an die Schreibmaschine
seiner Sekretärin –
eine dieser frühen, intelligenten Maschinen
mit Datenspeicher.
Ich schrieb ihm einen Brief.
Nicht mit Tinte, nicht mit der Hand,
sondern getippt, mechanisch,
maschinell – aber mit Herzblut.
Vielleicht mein stummes „Sieh mich“,
mein verzweifeltes „Ich bin noch da“.
Ich hinterließ den Brief
auf seinem Schreibtisch.
Ich dachte, er würde ihn finden,
wenn er am Morgen sein Büro betritt.
Aber ich hatte die Rechnung ohne die Intuition der Sekretärin gemacht.
Sie kam früher.
Und sie merkte es.
Eine Einstellung war verstellt.
Eine Kleinigkeit nur –
aber sie wusste:
Jemand war an ihrer Maschine.
Sie durchsuchte den Datenspeicher.
Druckte den Brief aus.
Gab ihn meinem Vater,
noch bevor er das Büro betrat.
Ich weiß nicht mehr, was ich geschrieben habe.
Vielleicht weiß er es noch.
Vielleicht hat er es vergessen.
Aber ich erinnere mich an das Gefühl:
Ich war zu stolz, um um Hilfe zu bitten.
Doch nicht stolz genug,
um gar nichts zu sagen.
So funktioniert Erinnerung bei mir:
Ein Kieselstein wird geworfen,
trifft etwas Altes,
löst etwas Neues aus.
Ein vergessenes Detail,
ein Geruch,
eine Bewegung.
Und plötzlich sehe ich mich selbst
an der Schreibmaschine –
in einem Büro, das mir nicht gehörte,
bei einem Vater,
dessen Anerkennung ich mir nie verdienen konnte.
Schreibe einen Kommentar