Die Debatte über Reichtum und Ungleichheit wird oft als Streit über Zahlen geführt: Wie viele Euro auf dem Konto, wie viel Einkommen im Jahr machen jemanden „reich“? Doch diese Frage verfehlt das Wesentliche. Sie misst die Oberfläche und übersieht die Tiefenstruktur.
Wahre Ungleichheit beginnt nicht bei der Summe, sondern bei der kategorialen Differenz. Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob jemand von seiner Arbeit lebt oder von seinem Kapital. Ob Wohlstand aktiv erarbeitet oder passiv geerbt wird. Ob Einkommen linear mit Zeit wächst oder exponentiell durch Zinseszins. Ob Vermögen sichtbar auf der Steuererklärung erscheint oder unsichtbar in komplexen Gesellschaftsstrukturen geparkt ist.
Dieses Kapitel handelt nicht davon, wie viel jemand hat. Es handelt davon, was für ein Reichtum es ist. Es seziert die Anatomie des Wohlstands und zeigt, dass „reich sein“ kein einheitlicher Zustand, sondern eine Vielzahl unterschiedlicher, oft unvereinbarer Lebens- und Machtrealitäten ist. Wir werden sehen, warum ein Manager mit hohem Gehalt und ein Erbe mit bescheidenem offiziellem Einkommen zwar beide als „reich“ gelten mögen, aber kategorial verschiedenen Spezies angehören.
Die folgenden Texte sind eine Kartographie dieser unsichtbaren Landkarte. Sie führen von der grundlegenden Unterscheidung zwischen Einkommen und Vermögen über die verschiedenen Mechanismen der Vermögensbildung bis hin zu den gesellschaftlichen Konsequenzen und den daraus erwachsenden politischen Forderungen.
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