In Haben und Sein schrieb ich einmal: „Etwas nicht zu haben ist eine Quantität der Größe Null im Sein.“ Was wir als Nichts bezeichnen, ist eigentlich nur eine Quantität des Seins, gleichzeitig aber auch eine Qualität des Seins. Im Nichts fallen Maß und Wert zusammen.
Das heißt jedoch nicht, dass keine Unterschiede bestünden. Im Gegenteil: bereits das erste Wort, sei es „Ich“ oder „Nichts“, unterscheidet zwischen Sein und Nichtsein. Die bloße Möglichkeit, etwas zu bezeichnen, erschafft einen Unterschied. Wenn ich zwei Spalten habe, also zwei Nicht-Orte, und ein Teilchen hindurchschicke, erwarten wir, dass es sich entscheidet – als könnte es nicht durch beide gleichzeitig gehen. Doch Ort und Nicht-Ort sind nur Konstrukte, wie der Affe, der prüft, ob ein Ast da ist oder nicht. Für Äste funktioniert das. Für Lichtquanten weniger. Da hilft uns nur der Welle-Teilchen-Dualismus, eine Denkfigur, die mit der alltäglichen Logik nicht zu greifen ist.
Das Nichts ist eine Grenze des Seins. Diese Grenze kann links, rechts, oben oder unten liegen, sie bleibt aber immer eine Grenze innerhalb des Seins. Das zeigt sich im Bild des Steins: Was wir in ihn hauen, entsteht durch Wegnahme. Gerade die Abwesenheit schafft Bedeutung. Robert Kaplan schreibt in seiner Geschichte der Null, dass das Kreiszeichen der Null durch Wegnahme des Steines entstanden sei. Das Nichts ist also nicht die Abwesenheit, sondern eine Form des Hervortretens.
Unser Denken aber ist evolutionär auf Dualismen geeicht: da ist ein Ast – oder da ist keiner. Diese Klarheit rettete Leben. Doch sie hindert uns, Gleichzeitigkeit und Überlagerung zu denken. Wir tun uns schwer, dass etwas zugleich zählbar und unzählbar sein könnte.
Und dennoch gilt: Alles, was ist – auch diese Zeilen – ist Teil der Welt. Keine Wissenschaft steht außerhalb davon. Jede Theorie, jede Formulierung verändert die Welt. Sprache beschreibt nicht nur, sie greift ein. Sie ist selbst Teil des Seins. Doch in den letzten hundert Jahren haben wir diese Kraft oft missverstanden. Wir tun so, als wäre Beliebigkeit die Folge. Aber das stimmt nicht. Aussagen können nicht beliebig sein: Sie müssen erst einmal sein, um falsch oder wahr genannt zu werden.
So bleibt: Die Qualität einer Aussage ist ihre Existenz. Die Quantität einer Aussage ist ihr Wert.
Ohne Maß gibt es keinen Wert.
Eine Quantität ist ohne Qualität nicht bestimmbar.
Haben ist ohne Sein nichts.
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