Leben vom Kapital

Dieser Text beschreibt die dritte, kategorial eigenständige Spezies des Reichtums: jene, deren Existenz sich von der Logik der Arbeit gelöst hat. Ihre Grundlage ist nicht Gehalt oder operative Kontrolle, sondern die systematische Erzielung von Kapitalerträgen. Die Diskrepanz zwischen dieser Realität und dem gesellschaftlichen Leistungsversprechen markiert einen der zentralen Konflikte moderner Ungleichheit.

Die Dekonstruktion der Leistungsfiktion

Die gängige Rechtfertigung, Kapitalerträge seien ein „verdienter Lohn“ für Risiko oder vergangene Arbeit, verkennt die strukturelle Asymmetrie des Systems.

Risiko als soziales Privileg

Das Risiko des Vermögenden ist relativ, nicht existenziell. Ein Verlust bedroht nicht die Grundsicherung von Wohnen oder Alter, die das Kapital selbst garantiert. Wer eine Million Euro besitzt, kann Verluste verkraften, da die Grundbedürfnisse längst gedeckt sind. Für die breite Masse ohne dieses Fundament ist jede finanzielle Fehlentscheidung hingegen eine unmittelbare Existenzbedrohung. Das Risiko ist nicht absolut, sondern sozial ungleich verteilt.

Die Macht des Startkapitals

Ein erheblicher Teil des Kapitalvermögens ist ererbt. Wo das Startkapital nicht auf eigener Leistung beruht, ist der Kapitalertrag eine reine Belohnung für den Besitz an sich. Dieser Mechanismus setzt sich über die Logik der Leistungsgesellschaft hinweg; er entkoppelt Erfolg von individueller Anstrengung. Die Leistungsgesellschaft hört dort auf, wo Kapitalerträge wichtiger werden als Arbeitseinkommen.

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