1979 schrieb ich ein Gedicht.
Ich war 14.
Ich schrieb über Ausgrenzung, über Fremdsein, über Alleinsein.
Ich wusste nicht, dass es so etwas wie strukturellen Rassismus gibt.
Ich wusste nicht, dass ich damit Worte fand,
die Jahrzehnte später
wieder laut werden würden.
Meine Lehrerin kopierte es auf Matrize.
Ein Ritual der Zeit:
Ein Text, vervielfältigt auf dünnem Papier,
das noch nach Alkohol roch.
Es war das erste Mal, dass meine Worte Gewicht bekamen.
Dass andere sie lasen.
Dass ich spürte:
Ich habe etwas zu sagen.
45 Jahre später
mache ich einen Pogo-Song daraus.
Die KI half mir.
YouTube trägt es weiter.
Ein Kieselstein,
durch die Zeit geworfen
und an einer Schnur der Erinnerung wieder aufgelesen.
Und plötzlich ist da ein Echo.
Klavierunterricht bei der Nazi-Großmutter
Ich war vier oder fünf.
Ich saß am Klavier.
Meine Großmutter war Klavierlehrerin.
Eine Frau mit Haltung, mit Bildung, mit Strenge.
Eine Frau, die nicht mehr an der Hochschule unterrichten durfte –
weil sie die Schwester von Gustav Borger war.
Gustav Borger –
zweifelsfrei Nazi.
Mein Großvater auch.
Er hat im Krieg mit seinem Leben bezahlt.
Damals nannte ich sie nicht „Nazigroßmutter“.
Damals war sie einfach meine Großmutter.
Ich war ihr Stolz.
Der Wappenträger der Familie.
Nicht der Älteste, aber der, auf den man setzte.
Der das geistige Erbe tragen sollte.
Vielleicht nicht das ideologische,
aber das kulturelle.
Und ich?
Ich trug dieses Erbe,
aber ich zerlegte es,
stückweise,
in Pogo,
in Gedichte,
in Dissonanzen,
in neue Gedanken.
„Die rassistischen Jäger hassen nicht nur Neger.“
So eine Zeile schreibt man nicht leichtfertig.
Sie ist konfrontativ, sie ist gewollt roh.
Weil sie aus einer Zeit stammt,
in der man beginnt,
sich selbst aus der Geschichte zu herauszuschälen,
ohne zu verleugnen,
wo man herkommt.
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