Die politische Forderung nach einer Vermögenssteuer operiert mit dem Mythos eines „Millionärskontos“ – der Vorstellung, Reichtum liege als leicht besteuervoller Geldbetrag vor. Diese Symbolpolitik übersieht die kategoriale Differenz zwischen dem Besitz des Mittelstands und dem Kapital der Superreichen. Eine klassische Vermögenssteuer würde nicht die Spitze der Ungleichheit treffen, sondern primär diejenigen belasten, deren Vermögen transparent und juristisch ungeschützt ist.
Die kategoriale Differenz des Vermögens
Die Natur des zu besteuernden Vermögens unterscheidet sich fundamental:
| Kategorie | Merkmale des Vermögens |
| Mittelstand / Gehobene Mitte | Immobilien (oft selbstgenutzt), Sparguthaben, transparente Wertpapierdepots. Dieses Vermögen ist leicht bewertbar und lokal gebunden. |
| Superreiche / Kapitalelite | Unternehmensbeteiligungen in verschachtelten Holdings, Stiftungen und Trusts, Offshore-Strukturen, illiquide Assets (Kunst, Patente). Dieses Vermögen ist strukturell geschützt, international mobil und bewertungsresistent. |
Immunität durch Struktur: Das Kapital der Superreichen ist in Rechtsformen gebunden, die es dem direkten fiskalischen Zugriff entziehen. Stiftungen verhindern Erbschafts- und Vermögenszugriff; Holdings verschieben Gewinne international.
Die Falle der Transparenz: Die Vermögenssteuer träfe daher vor allem den gehobenen Mittelstand – etwa Rentner mit einem wertvollen, abbezahlten Haus in München oder inhabergeführte Mittelständler. Deren Vermögen ist sichtbar, während das der Milliardäre im Geflecht des Rechts verschwindet.
Die drei Mechanismen des Scheiterns
In der Praxis scheitert eine traditionelle Vermögenssteuer an kategorialen Mechanismen, die nur das Kapital der Reichsten voll ausschöpfen kann:
Die Flucht des Kapitals: Kapital ist extrem mobil. Internationale Erfahrungen (Frankreich, Schweden) zeigen: Die Einführung einer Vermögenssteuer führt zu Kapitalflucht und Abwanderung von Steuerpflichtigen. Die steuerliche Basis – die Superreichen – entzieht sich, während der Mittelstand mit seinem gebundenen Vermögen zurückbleibt.
Die Unbewertbarkeit der Assets: Die faire Bewertung von nicht-börsennotierten Unternehmensbeteiligungen oder komplexen Kunstsammlungen ist kaum möglich und erzeugt massiven bürokratischen Aufwand. Die Reichsten können ihre Vermögenswerte bewusst unbewertbar machen, während die Immobilie des Mittelständlers nach festen Regeln bewertet wird.
Die Macht der Rechtsform: Die Superreichen nutzen Stiftungen und Holdings, um Vermögen aus dem persönlichen Besitz zu entkoppeln. Die politische Forderung nach einer Besteuerung „des Reichen“ läuft ins Leere, weil das Kapital formal nicht mehr ihm gehört.
Vom Symbol zur Struktur
Die Forderung nach einer Vermögenssteuer ist politisch populär, aber wirtschaftlich stumpf. Sie bekämpft nicht die Ursache der Ungleichheit, sondern bestraft deren sichtbarste, nicht aber mächtigste Opfer: die lokal verwurzelte Mittelschicht.
Wer die Ungleichheit kategorial bekämpfen will, muss die Architektur des Kapitals angreifen:
Schließung von Steuerschlupflöchern für Stiftungen und internationale Holdings
Konsequente Besteuerung von Großerbenschaften
Stärkung der internationalen Steuertransparenz und -kooperation
Alles andere ist Symbolpolitik – sie klingt gut, verfehlt aber das strukturelle Problem und bestraft jene, die nicht fliehen können.
Schreibe einen Kommentar