Ich war obdachlos.
Nicht, weil es keine Hilfe gab – sondern weil ich sie nicht in Anspruch nahm. Ich war der bürgerliche Sohn, der unternehmerisch aufwuchs, der als Kind noch zwischen Lochkarten und Jahresabschlüssen in Büros saß und glaubte, alles würde sich schon richten, wenn man nur etwas kann.
Ich beantragte keine Sozialhilfe.
Nicht weil ich nicht durfte – sondern weil ich nicht konnte. Freiburg war der erste Halt.
Max nahm mich auf – mein alter Internats-Kumpel aus dem Jugenddorf in Baden-Württemberg, der Jahre später im Gefängnis landete.
Ich nicht.
Ich hatte Glück – oder mehr Feigheit vor dem Gesetz.
Ich bewarb mich in Freiburg bei einer Metallfirma.
Erfolgslos.
Ob ich überhaupt eine Adresse angeben konnte, weiß ich heute nicht mehr genau. Wahrscheinlich eine geliehene, wie so oft damals. Aber ich überzog die Gastfreundschaft.
Irgendwann spürt man das.
Auch unter Freunden. Dann zog ich weiter.
An meinem alten Internatsort in Baden-Württemberg. Vorbei an der alten Schule.
Kein Halt.
Kein Bett.
Kein Zuhause mehr dort.
Vielleicht nur ein kurzer Blick zurück – auf die Felder, die Wälder, die Vergangenheit.
Schließlich: München. Hauptbahnhof.
Ein Ort, wo Leben und Bruchlinien aufeinandertreffen.
Ich war nicht allein – auch wenn ich niemanden kannte.
Denn Obdachlose erkennen sich.
Auch wenn man sich bemüht, nicht so auszusehen: Die Körpersprache verrät dich. Das Abtasten von Menschen, das Umschauen beim Sitzen, der Instinkt fürs Wetter, für offene Türen, für zugewandte Blicke oder abweisende Reaktionen.
Es ist ein stiller Club.
Kein Codewort, nur Erfahrung.
Vielleicht war es Stolz, vielleicht war es Scham – vielleicht beides. Aber ich lebte.
Ohne Hilfe.
Ohne Wohnung.
Mit Erinnerungen im Rucksack und dem brennenden Gefühl, dass das noch nicht das Ende sein konnte.
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