Manche Geschichten beginnen nicht mit Geburt, sondern mit Geschwindigkeit. Nach dem Internat kam das Scheitern an einem städtischen Gymnasium. Ich kam da nicht klar.
Nicht, weil ich nichts konnte – sondern weil ich in eine Welt geraten war, in der ich nichts mehr fühlte, außer Widerstand.
Ich ging in die Schule, aber mein Kopf war woanders.
In Diskos. In den kleinen Orten des Landkreises. In der Kreisstadt.
In der Zwischenwelt zwischen Beat und Bier, zwischen Blaulicht und Burnout. Die Landstraße zwischen der Kreisstadt und den umliegenden Dörfern war unsere Bühne.
Wir wussten, welche Kurve mit wie viel km/h ging.
Wenn in der Zeitung stand, jemand sei mit 120 aus der Kurve geflogen,
dann sagten wir:
„Fahrfehler. Die Kurve geht mit 160.“ Ich weiß das,
weil ich sie mit 160 genommen habe. Mein Freund David setzte seinen Golf GTI in einen Traktor.
Wunder, dass er überlebte.
Andere hatten weniger Glück.
Ich erinnere mich nicht mehr an alle Namen.
Aber ich erinnere mich an das Gefühl, wenn der Wagen vibrierte, das Licht flackerte, und du wusstest: Einen Moment später – und es wäre vorbei. Später kam der Job bei einem Finanzvertrieb, einem dieser Strukturvertriebe. Lebensversicherungen verkaufen, die niemand brauchte, an Leute, die alles glaubten.
Ich war jung. Ich wollte Geld.
Ich war gut.
Aber nicht jeder war sauber.
Ein Kollege – nicht meiner, sondern einer von „uns“ – hat die Police eines anderen gefälscht.
Der andere starb bei einem Autounfall zwischen der Kreisstadt und einer anderen Gemeinde der Region. Tödlich.
Und plötzlich stand da eine Versicherung, die eigentlich nie abgeschlossen wurde. Ich wusste es.
Nicht alles. Aber genug.
Und ich sagte:nichts. Ich war Anfang zwanzig.
Und ich merkte: Die Welt ist kein Märchen.
Sie ist ein Netzwerk aus Nebel, Nachtfahrten und Notlügen.
Man überlebt nicht, weil man besser ist.
Sondern weil man gerade nicht im falschen Auto sitzt.
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