Kapitel 56: Der Glückstreffer

Altmiete, 1994. 540 Mark kalt. Ich hab sie geschossen wie ein Lottogewinn. Donnerstagszeitung der Süddeutschen, aber Mittwochabend schon direkt am Verlag abgeholt. Ich wusste, dass Timing alles ist. Immobilien durchgeblättert, Makler Römer – gleich aus der Telefonzelle angerufen. Kein Handy, kein WhatsApp, keine KI, nur Münze, Finger, Hoffnung. Ich bekam einen Termin.

Später stellte sich raus, am nächsten Tag ging nur noch der Anrufbeantworter ran. Drei Termine habe sie gemacht, sagte man mir. Ich war einer davon. Vielleicht war’s Zufall, vielleicht war’s, weil wir als „nettes Ehepaar“ durchgingen. Egal. Wir bekamen sie.

Die Miete ist seither gestiegen, aber für Münchner Verhältnisse ist sie immer noch ein Geschenk. Eine Etage über uns, gleicher Schnitt, später vermietet – 1000 Euro kalt. Und auch das ist mittlerweile fast schon günstig. Neuvermietung? 70 Quadratmeter, 1200 kalt. Und dafür kleben die Leute Zettel an Laternen: „Suche Wohnung 1100–1200 €, bitte hier in der Gegend“ – als wäre Wohnraum ein Sechser im Lotto mit Zusatzzahl.

Dann neulich auf Immobilienscout: Gratlerhochhaus, 70er-Jahre-Beton, nichts Besonderes. 70 Quadratmeter, 580.000 Euro. Tiefgarage extra: 20.000. Da hat’s mich gerissen. Für denselben Schnitt, für denselben Massenbau. Früher Sozialbau, heute Investitionsobjekt.

Ich hab Glück gehabt. Das ist alles. Ich hab rechtzeitig den Hörer abgenommen. Heute müsste ich wahrscheinlich umziehen oder würde irgendwo bei Dachau landen. Aber ich bin noch hier. In München. Und das ist heute schon sowas wie Reichtum. Ohne dass du was getan hast – außer zur richtigen Zeit in der richtigen Telefonzelle zu stehen.



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