Ich erinnere mich genau.
Nicht nur an das Bild –
sondern an die Stille.
Diese unnatürliche Stille
in einem Raum voller Stimmen.
Callcenter, Balanstraße, München.
Technical Support für Infineon.
Eigentlich war es laut dort.
Rauschen, Klingeln, Stimmen aus der ganzen Welt.
China, USA, Frankreich, Indien –
eine Welt auf Leitung.
An dem Tag
war plötzlich Funkstille.
Ich hatte noch einen Anrufer,
aber vorne
schaute einer
auf einen Bildschirm.
„Was ist das da?“ fragte ich.
Ein Kollege hatte eine Datei geöffnet –
.mov, irgendwas aus dem Netz.
Ich dachte: Scherzvideo.
Irgendwas mit Apple und Aliens?
Zu der Zeit kursierte viel.
Dann sagte er:
„Das ist live aus New York.“
Und in dem Moment
traf das zweite Flugzeug
den Turm.
Ich habe den Einschlag gesehen.
Nicht als Nachricht,
nicht als Bericht.
Als Echtzeit.
Mir wurde kalt.
Die Leitung war tot.
Der Raum stumm.
Kein Lachen, kein Husten.
Nur diese starre Gegenwart
im Blick auf das,
was wir nicht fassen konnten.
Ich dachte an Yussuf,
Kollege,
immer wieder geschäftlich in New York.
War er dort?
Bitte nicht heute.
Meine Frau sah es auch –
aber anders.
Sie hatte gerade Independence Day geschaut,
dieses Pathos-Bombast-Endzeitkino.
Film zu Ende.
TV an.
WTC im Rauch.
Sie dachte:
Noch ein Film?
Sie brauchte Minuten,
um zu begreifen,
dass es Realität war.
Es gibt Momente,
die brennen sich nicht nur ins Gedächtnis –
sie graben sich unter die Haut.
Man weiß, wo man war,
wie man saß,
welchen Satz man zuletzt gesagt hat.
Ein Auflösungsvertrag lag vor mir.
Fünfstellige Abfindung,
alles schon unterschrieben.
Ein Kapitel endete.
Ein anderes begann –
mit Feuer, Stahl
und diesem ohrenbetäubenden
Schweigen.
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