Versöhnung oder Rechtsbruch? Die Große Amnestie 2030

Berlin, 2030. In einer am Dienstagmorgen überraschend einberufenen Pressekonferenz hat die neue Bundesregierung eine „Nationale Versöhnungsamnestie“ angekündigt. Sie soll „einen Schlussstrich unter die politische Polarisierung der letzten Jahre ziehen und eine neue Ära des Zusammenhalts einläuten.“

Zu den prominentesten Begünstigten der Amnestie zählt die Aktivistin Marla-Svenja Liebich. Die 59-Jährige, die sich selbst als Kämpferin gegen das „verrottete System“ sieht, wurde in den vergangenen Jahren in über zwanzig Fällen wegen Volksverhetzung, Beleidigung und Nötigung verurteilt. Die Strafen reichten von Geldstrafen bis zu mehrfachen Haftstrafen, die jedoch nie angetreten wurden, da Liebich sich den Behörden stets entzog. Nach einer spektakulären Flucht über die tschechische Grenze im Jahr 2025 lebte sie bis vor Kurzem im Ausland. Ihr kürzlich vollzogener Geschlechtseintrag wurde in der Szene als letzte Provokation des „alten Regimes“ interpretiert, bevor der „neue Staat“ die Macht übernahm.

Mit der Amnestie werden nun alle unanfechtbaren Strafen, die aus politisch motivierten Äußerungen und Handlungen der vergangenen zehn Jahre resultieren, offiziell aufgehoben. Die Bundesregierung nannte die Begnadigung einen „Akt der nationalen Einheit“, der es ermöglichen soll, „sich von den Fesseln der Vergangenheit zu befreien.“

Die Reaktionen sind heftig. Die Opposition spricht von einem „Sieg der Straflosigkeit über den Rechtsstaat“. Für viele Menschen, die sich jahrelang für Demokratie und Zivilgesellschaft eingesetzt hatten, ist die Amnestie ein Schlag ins Gesicht. Das Gefühl, dass das „alte System“ nicht in der Lage war, Personen wie Liebich zur Rechenschaft zu ziehen, wird nun durch einen staatlichen Akt der Begnadigung bestätigt und legitimiert.


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