Kapitel 6: Kind im Jahresabschluss

Arbeit begann bei mir nicht mit einem Vorstellungsgespräch, sondern mit dem Satz:

„Wohin mit dem Kind?“

Es war Ende der 60er, Anfang der 70er. Ich war klein, aber nicht zu klein, um nicht mitgeschleift zu werden.

Mein Vater war Unternehmer.

Ich sah die Welt der Rechenmaschinen nicht als Technik – sondern als Kulisse meiner Kindheit. Ratternde Maschinen. Lochkarten. Rechnungswesen. Datev. Ende Dezember war alles angespannt. Die Zahlen mussten raus. Der Jahresabschluss durfte nicht scheitern. Meine Mutter arbeitete bei einem aufstrebenden Technologieunternehmen, als Sekretärin des damaligen Chefs. Und weil Bürozeiten keine Rücksicht auf Familienzeiten nahmen, hieß es: Kind mitnehmen. Kind parken. Kind beschäftigt halten. Ich sortierte Akten. Ich blätterte Belege. Ich war kein Mitarbeiter, sondern Büroinventar mit Verstand. Dann kam die Revolution.

MAI Basic Four.

Ein Computer, der nicht mehr ratterte. Kein Klimpern, kein Zucken, keine Lochkarten.

Plötzlich war da nur ein Terminal.

Und ich – das Kind – durfte Bowling spielen auf dem Terminal, während andere den Übergang von der mechanischen in die elektronische Buchführung zelebrierten. Man ließ mich spielen, während eine Ära starb.

Ich war ein Kind.

Aber ich sah, wie sich Arbeit veränderte. Ich wusste noch nicht, dass das einmal mein Thema werden würde:

Automatisierung. Digitalisierung. Macht. Verantwortung.

Damals war ich einfach nur ein Junge, der mit in den Jahresabschluss musste.

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