Kapitel 7: Schwarzes Schaf

Die Familienkonferenz war ein Tribunal.
Ich war das älteste Kind.
Und plötzlich wurde ich konfrontiert mit einer Wahrheit, die bis dahin niemand ausgesprochen hatte:

Mein Vater hatte mich im ersten Lebensjahr getreten.

Ich wusste es nicht. Ich konnte es nicht wissen.
Aber ich verteidigte ihn
und das war in den Augen meiner Familie der eigentliche Skandal.

Meine Mutter sah mich an, als hätte ich sie verraten.
Vielleicht tat ich das.
Aber ich tat es nicht wissentlich.
Ich tat es, weil ich trotz allem an etwas glauben wollte.
An ihn.
An Familie.
An eine Version der Wahrheit, die weniger weh tat.

Meine drei Geschwister verstanden vieles nicht.
Meine Schwester segelte in meinem Schatten, verlor sich zwischen Anpassung und Aufbegehren.
Später kamen zwei Halbgeschwister dazu.
Ein neues Kapitel – für sie.
Ein Echo – für mich.

Ich war das schwarze Schaf.
Nicht das Rebellische, sondern das Erinnernde.
Ich kannte die dunklen Ecken. Ich sah Dinge, die niemand sehen wollte.

Als mein Vater verschwand –
als meine Mutter Angst hatte, er könne sich das Leben nehmen
war ich derjenige, der ihm hinterherlief.

Da war ich plötzlich gut genug.

Aber geliebt?
Nein.
Meine Mutter hasst mich bis heute.

Vielleicht,
weil ich der Einzige bin,
der nicht geschwiegen hat.

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