Ich wusste es lange nicht.
Dass ich nicht dumm war, sondern dass mein Verstand nur nicht in das Raster passte.
Ich hatte kein Abitur, keine bestandene zehnte Klasse, keinen akademischen Nachweis.
Ich hatte nur –
Fragen. Wut. Beobachtungsgabe. Und diese ständige Reibung an der Welt.
Meine Geschwister machten alle Abitur.
Meine kleine Schwester, von der man sagte, sie sei die „Dumme“,
hat ein abgeschlossenes Studium.
Ich: nicht.
Mein Bruder warf mir vor, ich würde meine Intelligenz „vor mir hertragen“,
würde uns alle „für doof erklären“.
Dabei war das Gegenteil wahr:
Ich habe mich selbst für bescheuert gehalten.
Weil ich kein Systemabschluss war.
Weil ich nicht in der Schule funktionierte.
Weil ich durch alle Raster fiel.
Die Ironie:
Wenn man objektiv misst, wäre ich vielleicht der Intelligenteste von uns.
Aber das zählt nicht in Familien, in denen Gefühle zählen,
in denen Loyalität mit Schweigen verwechselt wird,
und in denen ein schwarzes Schaf nicht clever sein darf –
weil sonst alle anderen zu fragen beginnen müssten,
warum es eigentlich schwarz ist.
Ich bin kein Opfer.
Aber ich bin auch kein Täter.
Ich bin jemand,
der sein Leben in Fragmente sortieren muss,
weil sonst alles verschwimmt.
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